Wie funktioniert die elektrische Modelleisenbahn? -- Motorsteuerungen

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4. Motoransteuerung

4.0 Vorbemerkungen zu Steuerungen

Die verschiedenen Steuerungen entstanden entweder historisch (Amplitudenmodulation), aus Zweckmäßigkeit (Impulssteuerungen) oder aus Neugier (Phasenanschnittsteuerungen). Die Vielzahl macht eine Auswahl notwendig, zumal um nicht wenige Steuerungen sich ein Phantasiegebilde über deren tatsächlichen Leistungsmöglichkeiten gebildet hat. Im Folgenden sollen nur die wichtigsten zur Sprache kommen.

 

4.1 Amplitudenmodulation

Amplitudenmodulationen sind die verbreitetsten Steuerungen für Modelleisenbahnen, die (nicht ganz korrekt) auch als "analoge Steuerungen" bezeichnet werden. Diese Form der Drehzahlsteuerung wird auch Leonard-Steuerung genannt. In Form einer einstellbaren Spannung am Transformator oder Fahrgerät wird die Drehzahl (und damit die Geschwindigkeit) des Modells eingestellt. Elektronische Schaltungen sind meistens nicht notwendig. Je nach Erfahrung und Geschicklichkeit des Benutzers kommen recht unterschiedliche, zumeist der entsprechenden Aufgabe zugeschnittenen Resultate heraus. Da die Motoren sehr verschiedene Charakteristika aufweisen, aber nicht jeder Benutzer bereit ist, sich die notwendige Erfahrung zuzulegen, wird die AM zunehmend zurückgedrängt zugunsten der Impulssteuerungen. Dennoch ist die AM mit Abstand die effizienteste und schonenste Ansteuerung für Motoren.

 

4.2 Frequenzmodulation

Weit weniger verbreitet als AM sind Frequenzmodulationen, in denen die Frequenz zum Einstellen der Drehzahl benutzt wird. Da diese Steuerung nur mit Wechselstrommotoren durchführbar ist, gelten die folgenden Überlegungen nicht für DC-Motoren. Dies ist deshalb möglich, da die Motoren aus Spulen aufgebaut sind, welche einen mit der Frequenz steigenden Blindwiderstand haben. Folglich nimmt die Drehzahl mit zunehmender Frequenz ab (Ausnahme Synchronmotoren, deren Drehzahl proportional der Frequenz ist). Allerdings nimmt auch die mögliche Leistung des Motors mit zunehmender Frequenz ab, sodaß bei niedrigen Drehzahlen keine großen Lasten bewegt werden können. Über das Ausmaß des Frequenzeinflusses auf die Drehzahl entscheidet die Induktivität der Spulen (ein Spulenkennwert): je kleiner die Anschlußinduktivität, desto größer die Frequenz mit der der Motor noch betrieben werden kann. Bsp.: ein kleiner Märklinmotor mit insgesamt 6,4 mH Induktivität kann im Leerlauf mit ca. 1000 Hz betrieben werden. Hier darf allerdings nicht verschwiegen werden, daß die Stromaufnahme die maximale Betriebsfrequenz erheblich beeinflußt!.

 

4.3 Impulssteuerungen

4.3.0 Vorbemerkung zu Impulssteuerungen

Im Zuge der zunehmenden Verwendung von Rechnern (Computer) zu Steuerungszwecken fanden bzw. finden Impulssteuerungen steigende Verbreitung. Aus diesem Grunde werden Impulssteuerungen allzugerne (und leider auch falsch) als "digitale Steuerungen" bezeichnet. Diese Bezeichnung ist deswegen falsch, da digitale Informationsverarbeitung und Motoransteuerung nichts miteinander zu tun haben und unabhängig voneinander realisiert werden können.
Charakteristisch für Impulssteuerungen sind Impuls und Impulspausen. Mit Ausnahme der PAM ist die Betriebsspannung konstant, ein Vorzeichenwechsel der Spannung kommt nicht vor. Daher sind Impulssteuerungen eine Kombination aus Strom- und Frequenzsteuerung. Im Gegensatz zu AM/FM sind einige Kennwerte von Bedeutung, welche in folgender Abbildung erklärt werden sollen:

Impulsdiagramm zur Erläuterung von typischen Kennwerten
Im Impulsdiagramm wird die Amplitude als Funktion der Zeit aufgetragen. Typischerweise basieren Impulssteuerungen auf Rechteckimpulsen, wie sie als Beispiel abgebildet sind. Die Zeit, in der ein Impuls (lat. = Stoß d.h. Spannungs- bzw. Stromstoß) vorliegt wird mit ti gekennzeichnet, entsprechend die Pausenzeit mit tp. Beide Addieren sich zur (Puls)Periodendauer t. Die Zeit in der Impulse und Impulspausen periodisch wiederholt werden, nennt man Pulsdauer t. Dementsprechend wird in Pulspausen nicht "gepulst", Unterschiede zu Impulspausen sind die Aperiodizität der Pulspausen und deren größere Dauer. Für eine Funktion der Impulssteuerungen ist es unerläßlich, daß ti und tp wesentlich kleiner sind als die Reaktionszeit (Hochlaufzeit) des Läufers, da sonst mechanische Probleme auftreten. Im Gegensatz dazu sind Pulsdauer und etwaige Pulspausen (man beachte die Ausdrücke!) meist größer als die Hochlaufzeit des Läufers. Zentraler Bestandteil der Impulssteuerungen sind nun nicht die Zeiten selbst, sondern deren Verhältnis zueinander, welches nach DIN IEC 60469-1 (frühere DIN IEC 469) mit der Bezeichnung "Tastgrad" benannt wird. Um diesen Tastgrad zu erhalten dividiert man die Impulsdauer durch die Periodendauer. Unglücklicherweise wird für den Tastgrad ebenfalls das Formelzeichen t verwendet, daher wird hier auf die Angabe einer Formel verzichtet.
Zu fast allen Zeiten gibt es eine dazugehörige Frequenz: Impulsfrequenz, Puls(wiederhol)frequenz. Pausenfrequenz gibt es natürlich keine. In der Gesamtwirkung haben Impulssteuerungen den selben Effekt, wie das Produkt aus Tastgrad und Strom- bzw. Spannungsamplitude (gleiche Stromaufnahme, gleiche Drehzahl, gleiche Zugmassen usf.). Dennoch unterscheiden sich die Impulssteuerungen in einigen wichtigen Punkten von den Amplitudensteuerungen: die erhöhten Momentanströme sind die Ursache für mitunter extrem schnelle Zerstörung der Motoren, da in erster Näherung Abnutzung und Verluste proportional dem Quadrat des (Moment)stroms sind. Am Beispiel wäre die Abnutzung bzw. der Verlust bei Impulssteuerung doppelt so hoch wie bei AM-Steuerung (der interessierte Leser überzeuge sich davon durch Rechnung!). Bei guten Motoren setzt dies die Lebensdauer (in erster Näherung proportional zum Momentstrom) bis zum Faktor 30 und mehr herab. Das maximale Ausmaß läßt sich leicht errechnen aus dem Quotienten von größter zu kleinster Stromaufnahme. Wird bei kleinen Tastgraden der maximal mögliche Strom erreicht, so bewegt sich der Motor nicht mehr, und kann so durch Überhitzung zerstört werden.
Für den Betrieb von Elektromotoren mit Impulssteuerungen ist der Momentanwert des Stroms und die Impulsfrequenz von Bedeutung, welche je nach Variante unterschiedlich beeinflußt werden. Motoren können nur sinnvoll betrieben werden, wenn die momentane Stromaufnahme des Läufers größer als der Mindeststrom und kleiner als der maximal mögliche Strom ist. Dies muß man im Hinterkopf behalten, wenn die folgenden Abschnitte verstanden werden sollen.

 

4.3.1 Impulsbreitenmodulation (PWM, IBM)

Eine Impulsbreitenmodulation ist die Veränderung der Impulsdauer bei konstanter Pausendauer.
Die Abkürzung "IBM" sollte wegen der Verwechslungsgefahr mit der Firma IBM (eingetragenes Warenzeichen) nicht verwendet werden.
Folglich werden Impuls- und Pulsfrequenz variiert. Leider hat sich eingebürgert, diese Definition auf die Tastgradmodulation (DCM, TGM) anzuwenden, welche sehr leicht mit Computersteuerungen kombiniert werden kann:
Die Tastgradmodulation verändert den Tastgrad bei konstanter Pulsfrequenz

Den Unterschied sieht man am besten in den Impulsdiagrammen:

Impulsbreitenmodulation, IBM Tastgradmodulation, TGM

Impulsbreitenmodulationen lt. Definition sind selten!
Schaltungstechnisch ist die TGM von allen Impulssteuerungen am einfachsten realisierbar: man braucht lediglich einen Rückwärtszähler, welcher fast direkt an die Endstufen angeschlossen werden kann. Alle anderen Schaltgruppen sind meistens bereits vorhanden, einschließlich der Vorgabe und Taktfrequenz. Auch aus diesem Grund hat sich leider die inkorrekte Bezeichnung "digitale Steuerung" eingebürgert.
Am Beispiel älterer DELTA- und DIGITAL-Dekoder von Märklin sei das Prinzip erklärt. Diese Dekoder haben 14 Fahrstufen. Intern wird hierzu ein 4-Bit-Zähler benutzt, welcher in 16 Taktschritten zählt, bis wieder von vorne angefangen wird (de facto sind dies 17 Schritte). Wird bei keinem Taktschritt ein Impuls weitergegeben, steht der Motor. Die verbleibenden 16 Taktschritte werden nun gleichmäßig zwischen Tastgrad 0 und 1 verteilt. Bei durchgehendem "Impuls" ist dies keine Impulssteuerung mehr und fällt somit für diese Betrachtung weg (Tastgrad =1). Bei Tastgrad 1/16 bewegt sich jedoch kein Märklinmotor der bisherigen Standards (zur Erinnerung: der Momentstrom wäre hier 16 mal größer als der Mindeststrom, was in keinem Fall erreichbar ist). Folglich beginnt die Fahrstufeneinteilung, die der Benutzer sieht bei einem Tastgrad von 2/16 mit FS 1 (die eigentlich FS 2 ist). Die Erfahrung zeigt jedoch, daß in den meisten Fällen erst ab einer sichtbaren FS 3-5 sich die Motoren bewegen.

 

4.3.2 Impulspausenmodulation (Stromsteuerung, IPM, PPM)

Impulspausenmodulation ist eine Variation der Impulspausen bei konstanter Impulsdauer.
IPM ist somit das Gegenstück zur IBM. Somit wird ausschließlich die momentane Stromstärke beeinflußt und die Bezeichnung "Stromsteuerung" ist gerechtfertigt.

Impulspausenmodulation

Entsprechend der IBM kann auch die IPM aufgebaut werden, mit dem Unterschied, daß nun der Rückwärtszähler nicht die Impulsdauer, sondern die Pauendauer einstellt (die Einflußgrößen Impuls- und Pausenzeit werden gerade vertauscht). Folglich entspricht der Tastgrad 1/16 der IBM einem Tastgrad 15/16 in der IPM (am Zählerausgang). Dies muß dann noch von der Ansteuerungselektronik des Motors entsprechend umgesetzt werden. Dazu eignet sich u.a auch ein Inverter. Alternativ kann der Motor direkt angesteuert werden, dann muß allerdings die Zählweise verändert werden.
Der Aufwand ist recht gering, und Regelungen lassen sich mit IPM leichter aufbauen als bei IBM (die 6090/6090x-Dekoder von Märklin basieren auf IPM im Analogbetrieb bzw. einer modifizierten IPM im Digitalbetrieb).

 

4.3.3 gepulste Amplitudenmodulation (IAM, PAM)

Eine Veränderung der Impulsamplituden bei konstantem Tastgrad und konstanter Pulsfrequenz bezeichnet man als Impulsamplitudenmodulation oder gepulste Amplitudenmodulation.
Letztere Bezeichnung dient zur Unterscheidung von "normalen" Amplitudenmodulationen, wie sie auch im Radiofunk (LMK) verwendet wird.

gepulste Amplitudenmodulation

Die PAM kann als Kombination einer (fast beliebigen) Impulssteuerung mit einer Amplitudenmodulation angesehen werden.
Durch den konstanten Tastgrad erhöht sich der Momentstrom im Vergleich zur AM. Somit ist die Ansteuerung der Motoren identisch. Aufgrund der Stromüberhöhung während der Impulse werden die Kommutatoren und Bürsten überproportional abgenutzt, doch ist dies ein generelles Problem der Impulssteuerungen.
Schaltungstechnisch ist eine Impulsamplitudenmodulation leicht aus der Impulspausenmodulation ableitbar, indem der Zählerausgang mit einem Kondensator geglättet (intergriert) und über einen Schalter mit einstellbarem Tastgrad auf die Endstufen geleitet wird. Regelungen sind etwas einfacher als bei AM einzurichten.

 

4.3.4 gepulste Frequenzmodulation (IFM, PFM)

Eine Veränderung der Pulsfrequenz bei konstantem Tastgrad ist eine Pulsfrequenzmodulation.
Diese Ansteuerung kann auch mit "Impulsfrequenz-" oder "gepulste Frequenz-modulation" bezeichnet werden, da Tastgrad und Amplitude konstant sind, ist eine änderung der Pulsfrequenz immer auch gleichzeitig eine Impulsfrequenzmodulation.

gepulste Frequenzmodulation

Pulsfrequenzänderung bei konstanter Amplitude und konstantem Tastgrad.

Die IFM/PFM ist nur bei Wechselstrommotoren sinnvoll einsetzbar.
Zur Unterscheidung der Frequenzmodulation, wie sie im UKW-Radiobereich vorkommt, dient die Bezeichnung "gepulste Frequenzmodulation" Wie bereits bei IAM ist auf in der IFM der Tastgrad konstant (und idealerweise einstellbar). Jedoch wird in der IFM die Frequenz (da der Tastgrad konstant ist, werden Impuls- und Pulsfrequenz gleichermaßen beeinflußt) in Abhängigkeit einer Steuerspannung geändert. Dies ist nur in Verbindung mit spannungsgesteuerten Oszillatoren (lat. oscillare = schwingen), die im englischen mit VCO abgekürzt werden möglich. Durch diese pannungsgesteuerten Oszillatoren ist der Aufwand solcher Steuerungen recht hoch, Regelungen sind naturgemäß noch schwieriger. Prinzipieller Nachteil der IFM ist wie bei der FM die recht niedrige Leistung bei hohen Frequenzen (und damit niedrigen Drehzahlen) im Vergleich zu IPM/IBM.

 

4.3.5 Impulspaketsteuerung (IPS)

Die Veränderung der Pulsdauern, in welchen mit hoher Frequenz und konstantem Tastgrad gepulst wird, bezeichnet man mit Impulspaketsteuerung (IPS)

Impulspaketsteuerung

Diese Art der Motorenansteuerung wurde in Märklinmodellen erstmals in Modellen der Baureihe 18.1 (3411) angewandt. Durch die Kombination zweier Impulssteuerungen kann die Ansteuerung an die individuellen Eigenschaften der Motoren sowie an die Erfordernisse angepaßt werden. Aus diesem Grund ist eine Vielzahl von Motoren mit dieser Art der Steuerung kombinierbar. In gewissem Sinne ist hiermit der Grundstein für viele einstellbare Variablen ("CV's") gelegt worden, da nun die meisten auf einfache Weise mit binären Steuerungen zugänglich sind. Ein weiterer Vorteil istdie breite Anwendbarkeit mit verschiedenen Stromsystemen, da die vorgegebene Amplitude den fest eingestellten Tastgrad nicht beeinflußt. Lediglich in Verbindung mit Impulssteuerungen muß auf einen ausreichenden Frequenzabstand zwischen der hochfrequenten Taktung und der überlagerten Frequenz der Impulssteuerung geachtet werden (das Modell 3411 ist mit 6,64 kHz PWM auf den Schienen nicht sinnvoll einsetzbar).

 

4.4 Vergleich der Steuerungen

Folgende Tabelle vergleicht die gemessenen Durchschnittswerte in Abhängigkeit von der benutzten Steuerung. Hierbei wird zwischen den verschiedenen Impulssteuerungen nicht unterschieden. Auf die Angabe von Streuungen wird hier verzichtet.

BetriebssystemAnzahl der
Leistungsmessungen
P2 in mW h in % Drehzahl
in Hz
Nettostrom
in mA
Anzahl der
Drehzahlmessungen
nmin in HzUmin in VÜbertemperatur
am Ständer in °C
AC3092164.82173.61321.432848.868.2416.6
HVW2582375.48183.18300.127148.587.8117.6
DC2532425.43179.15306.726461.758.1115.9
PWM2302475.96184.27288.724561.948.5418.4
Digitalmessungen nur mit entsprechend ausgestatteten Modellen, daher nur bedingt vergleichbar
MMS2433471.57164.28262.825333.925.0812.6
DCC373211.74145.7289.23923.635.5713.2

Wie dieser kleinen Übersicht zu entnehmen ist, ist im Rahmen der Fehlergrenzen von <10% zwischen den getesteten Systemen kein Unterschied festzustellen. Daher kann auf weitergehende Tests für alle Ansteuerungen verzichtet werden.

Zwischen den einzelnen Ansteuerungsarten besteht in allen wichtigen Kenngrößen kein Unterschied!

 

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Stephan-Alexander Heyn